Knapp hundert Teilnehmer, angenehme Atmosphäre und spannende Themen: Das war unser Fazit der diesjährigen Mitgliederversammlung im Fischbahnhof in Bremerhaven. Jörg Schinzer, unser Vorsitzender, führte durch die knapp dreistündige Veranstaltung, auf der u.a. Insa Sülberg als Schriftführerin und Bernd Voigt als Small Ships-Vertreter wiedergewählt wurden und Milena Müller als Jugendsprecherin neu gewählt wurde.
Eigentlich, ja eigentlich, wollten und konnten Präsidium und Rat der S.T.A.G. den vielen Mitgliedern nur positive Nachrichten überbringen, z.B. dass die S.T.A.G. die coronabedingten Probleme recht gut bewältigt hat, ebenso wie ihre Mitgliedsschiffe, die Zahl der Mitglieder ist recht konstant und damit auch die Beiträge. Stattdessen war es das Gebot der Stunde, sich zu Beginn der Jahreshauptversammlung von den Sitzen zu erheben und mit einer Schweigeminute der Opfer des grausamen Krieges gegen die Ukraine zu gedenken.
Auch wenn die politische Situation im Augenblick wenig Grund zum Optimismus bietet, kann die S.T.A.G. recht zuversichtlich in die Zukunft blicken: Dank der über 3000 Mitglieder stehen auch in diesem Jahr wieder ausreichend Mittel zur Verfügung, um allen berechtigten Jugendlichen (max. 25 Jahre) das traditionelle Segeln zu ermöglichen. In diesem Jahr können auch wieder die erfolgreichen Jugendtörns stattfinden. Vor allem segelunerfahrene Jugendliche sollen auf diesen Reisen erstmals richtige „Seeluft schnuppern“. Für die 35 Mitgliedsschiffe stehen wieder über 70.000€ bereit, um bei Existenz bedrohenden technischen Problemen zu helfen. Übereinstimmend teilten deren Repräsentanten mit, dass das Interesse, endlich wieder an Törns teilzunehmen, überwältigend sei, darunter auch viele, die dies zum ersten Mal „wagen“. Erfahrungsgemäß sind das diejenigen, die später begeistert an den sog. „Tüdelkursen“ – den Kursen zur traditionellen Seemannschaft – teilnehmen. Diese erfolgreichen Wochenendseminare hatte Jochen Garrn, Ehrenmitglied und „Sailtrainer des Jahres“, entwickelt und seine Kenntnisse bereitwillig weitergegeben. So können nun auch nach seinem Tod 2020 die Mitglieder seines Teams diese Ausbildung weiterführen. Jochen Garrns Standardwerke „Handbuch für Decksleute“ und „Handbuch für Bootsleute“ konnten nach dem großzügigen Verzicht der bisherigen Inhaber der Veröffentlichungsrechte von der S.T.A.G. wieder herausgegeben werden und stehen nun allen Interessenten zur Verfügung (Verkauf über die Geschäftsstelle, bereits über 230 versendet). Die englische Ausgabe wird z.Zt. vorbereitet.
Der einstimmig gebilligte Haushaltsentwurf sieht auch die Weiterführung aller Weiterbildungsmaßnahmen für Patentinhaber und Crew vor. An alle Teilnehmer ging zudem die Aufforderung, Kandidat:innen für den „Jochen Garrn-Preis für traditionelle Seemannschaft“ zu nominieren. Der Preis konnte wegen der Coronapandemie in den letzten beiden Jahren nicht vergeben werden. Volker Klose, langjähriger Präsident der S.T.A.G., verwies in seiner Rede nicht nur auf die intensiven Bemühungen, vor allem Jörg Schinzers, der traditionellen Seemannschaft als immaterielles Kulturerbe die nötige Anerkennung zu verschaffen, sondern auch auf den Deutschen Seeschifffahrtstag in Bremen und Bremerhaven vom 29.9. – 3.10.2022. Dank der intensiven Zusammenarbeit mit den Organisatoren sei die S.T.A.G. nun Bestandteil dieser wichtigen Veranstaltung. Spektakulärer Höhepunkt ist die Parade von einigen hundert Schiffen und Booten am 30. September 2022.
Lena Weweler, deutsches Mitglied des Aufsichtsrates der STI, berichtete von den Entscheidungen, die dort getroffen wurden: So wurden die russischen Windjammer zumindest von den Regatten dieses Jahres ausgeschlossen, die Verträge mit der russischen Reederei SOVCOMFLOT gekündigt, die u.a. das Race for Peace von Korea nach Wladiwostock sponsern wollte. Zudem soll nach zwei Coronajahren in diesem Jahr wieder eine „echte“ internationale Konferenz in Präsenz stattfinden. Die STI ist recht zuversichtlich, dass die geplanten Tall Ships‘ Races sowohl 2022 als auch 2023 gesegelt werden können. Die Zahl der für die Races dieses Jahres gemeldeten Schiffe gibt jedenfalls Anlass zum Optimismus. Auch die beiden Online-Konferenzen des Youth Councils (2021 und 2022) mit weit über 400 Teilnehmern wurden sehr positiv beurteilt. Der einfache und unkomplizierte Chat mit neuen Freunden auf sieben (!) Kontinenten begeisterte einfach alle. Diese internationale Jugendarbeit unterstützte die S.T.A.G. mit erheblichen Zuschüssen, auch die STI profitierte davon. Alle, die endlich wieder an den großen Regatten teilnehmen wollen, können sich nach den Worten der Vertreter der S.T.A.G. in den internationalen Gremien die berechtigte Hoffnung machen, in den nächsten Jahren vor der „Haustür“ segeln zu können:
2022 – Nordsee/Den Helder – Hartlepool – Fredrikstad – Lerwick – Arendal
2023 – Ostsee/Klaipeda – Helsinki – Tallinn – Turku – Mariehamn – Stettin
Am Folgetag fand in Bremerhaven auch das Treffen der Repräsentanten der Mitgliedsschiffe statt. Nikolaus Kern, Mitglied der GSHW und Vorsitzender von DJS – Clipper e.V., legte ihnen nahe, den 17. März 2023 im Auge zu behalten: An diesem Tag enden alle Übergangsregelungen, die den Betrieb der Traditionssegler nach den Bestimmungen der „alten“ Schiffssicherheits-Verordnung ermöglichen. Dies gilt auch für die Qualifizierung der Besatzungen: Seedienst-Tauglichkeit, Medical Care-Zeugnisse usw.