Trainee Steffen Koch war im vergangenen Jahr das erste Mal Bord unseres S.T.A.G.-Mitgliedsschiffes „Alexander von Humboldt II“. Da er von unserem Verein gefördert worden war, entschied er sich für einen ausführlichen Bericht für unseren Newsletter als Gegenleistung für die Förderung:
Voller Vorfreude ging es am 05.08.2016 ab Bremen mit dem Flieger nach Mallorca auf den Weg zu meinem ersten Segeltörn auf einem so großen Segelschiff. Ich war ziemlich aufgeregt und gespannt, was mich die kommenden zwei Wochen erwartet.
Das Wetter sollte perfekt werden, leichter Wind und Sonne satt. Die Anreise lief wunderbar, es folgten zwei Tage Entspannung zusammen mit meinem Bruder im Süden der Insel, bevor es dann am Morgen des 07.08. Richtung Hafen der Hauptstadt zum Crewchange ging. Den wahrscheinlich vorerst letzten Morgen ausschlafen und gemütlich aufstehen, kurzes Frühstück, ins Auto und nur eine Stunde später kamen wir am Hafen Porto Pi an. Schon von weitem war die Alex II am Pier zu sehen, das machte Eindruck. Vor allem, da zu diesem Zeitpunkt keine anderen Schiffe an dem Terminal lagen, strahlte dort vor uns wunderschön die große Bark. Wir passierten ohne Probleme die Hafenkontrolle und liefen auf den grünen Dreimaster zu.
Über die Gangway ging es an Bord und wir meldeten uns bei der Hafenwache an. Die Crew vom Vortörn war noch nicht ganz von Bord und schon einige weitere Neue kamen an, da war das Deck doch recht voll mit Leuten, Gepäck und Proviant. Prompt waren wir dann auch direkt zum Verladen und Stauen des frisch gelieferten Proviants eingeteilt. Danach folgte noch der Müll, der von Bord musste. Ich kannte um mich herum erstmal niemanden, aber die Arbeiten liefen super und ich fühlte mich bei den ersten kurzen Gesprächen direkt gut angewiesen und aufgenommen.
Nachdem alles an und von Bord war, hatten wir Zeit, das Schiff zu inspizieren und unsere Kammer zu beziehen. Es war noch früher Nachmittag und so entschieden wir uns, mit ein paar anderen einen nah gelegenen Strand aufzusuchen und dort eine angenehme Abkühlung im Wasser zu genießen.
Zurück an Bord gab es dann die Willkommensworte unseres Kapitäns Michael aka Mike und die Einteilung der Wachen, auf der Alex II wird in einem Drei-Schicht-System gesegelt. Es folgte noch eine kurze Sicherheitseinweisung für das Schiff und dann stand der Abend zur freien Verfügung, welchen einige nutzten, um noch einmal die Stadt unsicher zu machen.
Am nächsten Morgen starteten wir sanft geweckt vom Matrosen Jens mit dem Lied „I am sailing“ von Rod Stewart in den Tag und bekamen ein leckeres Frühstück von unseren beiden Super-Smuts Matthias und Alwin angerichtet. Ich kann mich auf diesem Wege nur noch einmal für die tolle Zusammenarbeit bedanken, da ich das Handicap einer Glutenunverträglichkeit habe und mir vorher nicht sicher war, ob das alles so klappt. Doch mit ein wenig Kreativität war alles wunderbar und die Absprachen liefen bestens, so dass es kein Problem darstellte.
Es folgte an Deck der restliche Teil der Sicherheits- und Klettereinweisung. Dafür bekam jeder Trainee, das sind alle, die nicht zur Stammbesatzung zählen, einen Klettergurt, der angepasst und angelegt wurde und ab da zu jeder folgenden aktiven Wache getragen werden musste. Unsere Toppsi (Toppsmatrosin/Wachführerin) der 8-12-Wache, Kathi, zeigte uns einmal das gesamte Schiff mitsamt Notausgängen und dann ging es das erste Mal hoch in das Rigg. Zum Anfang als Training hoch bis zur ersten Saling und auf der anderen Seite wieder herunter. Jede/r, die/der möchte und sich dazu in der Lage fühlt, darf klettern, darf es ausprobieren, muss aber nicht.
Wir bekamen noch eine zweite Lieferung Proviant, die gestaut werden musste, es wurde noch einmal Frischwasser gebunkert und dann wurde alles für das Ablegen vorbereitet. Nun ging es endlich los. Um 14:30 Uhr des 08.08. hieß es „Leinen los!“. Auch die Segel wurden direkt ausgepackt, da günstiger Wind angesagt war. Schnell erstrahlte die grüne Lady in (fast) voller Pracht und wir segelten um das Westend Mallorcas Richtung Sonnenuntergang.
Am nächsten Tag blieb der Wind vorerst ruhig aus Süd-West wie in der Nacht und Kapitän Mike gab die Freigabe zur Fotosafari. Dies bedeutet das Aussetzen des Bereitschaftsbootes und das Besetzen jenes mit Fototouristen, die die grüne Lady auf dem Wasser im besten Licht festhalten wollen. Der Wind frischte nach und nach auf, somit war zunächst auf Grund der steigenden Geschwindigkeit des Schiffes kein Umrunden der Alex mehr möglich und dann mussten die Touren ganz unterbrochen werden, auch wenn leider noch nicht alle die Möglichkeit des Mitfahrens hatten. Spoiler: es sollte zu späterer Zeit der Reise noch eine weitere Chance geben.
Der balearische Wettergott meinte es mehr als gut mit uns mit dem Wind. Dieser frischte weiter und weiter auf und drehte auf Nord-Ost, sodass wir Kurs Nord hoch am Wind segelten. In der Nacht fuhren wir, die 8-12, zusammen mit der 0-4-Wache die erste Halse. Kurs gen Süden gezielt auf die See zwischen Mallorca und Menorca. Nun endlich in die Koje. In den folgenden Stunden gab es bei jeder Wache so einige wind- und wellenbedingte Ausfälle, doch die Stammcrew hatte alles gut im Griff.
Am nächsten Tag wurden Wind und See schon wieder ruhiger, es gab nur noch wenige Ausfälle und wir konnten mit geballter Kraft und dem üblichen „Hol Weg!“ an den Tampen reißen, um den Kurs Richtung Osten südlich von Menorca zu legen. Kurz darauf erreichten wir das Zwischenziel, die Playa de Binigaus, und gingen vor Anker. Nach kurzer Badeeinweisung durch den Captain durften wir nach und nach in das kühle, blau leuchtende Nass. Okay – so kühl war es gar nicht mit 25 Grad. In dem Leichtmatrosen Tizian habe ich einen anderen Schwimmbegeisterten gefunden und wir starteten nach Absprache mit dem wachhabenden Steuermann und Toppsi unsere Strecke zum Strand, etwa 1500m hin und zurück. Von dem schönen weißen Sandstrand aus hatte man eine tolle Sicht auf die kleinen Boote, die auch in der Bucht vor Anker lagen, und der Alex II im Hintergrund. Dann ging es fix auf den Rückweg, denn an Bord wartete das Abendessen. Im Anschluss gab es von Kapitän Mike auf dem Achterdeck Kultur in musikalischer Form. Seemanns-Shanties plus Gitarre und den passenden Geschichten, so wurde einer nach dem anderen herausgeschmettert. Mittlerweile waren dann auch so ziemlich alle Seekranken wieder fit und unter den Lebendigen. Im Anschluss gab unser Schiffsarzt auf dem Hauptdeck seinen Einstand, kombiniert mit Musik und einer ordentlichen Decksparty.
Der 11.08. startete mit normalem Frühstück und anschließendem Anker auf um 09 Uhr. Wir setzten mit unserer Wache und ein paar freiwilligen Helferinnen und Helfern der Freiwachen die grünen Segel und setzten Kurs Richtung Osten entlang der traumhaften Felsenküste Menorcas. Nun stand ich das erste Mal am Ruder und wurde vom Leichti Jan angelernt. Anfangs war es nicht so einfach, aber nach kurzer Eingewöhnung und mit der Kenntnis der Kommandos nicht mehr so schwer. Das hat echt Spaß gemacht und so wollte ich den Part den Törn gerne nochmal wieder übernehmen. Nachdem wir den östlichsten Ausläufer Menorcas passiert hatten, ging es immer noch weiter gen Südosten bis zum nächsten Morgen. Der Wind drehte etwas, perfekt für uns, und wir fuhren eine Halse und dann Kurs Nord-West zurück nach Menorca mit dem Ziel Mahón.
Am Abend dann ein weiteres Highlight des Törns. Gegen 18 Uhr mit tief stehender Sonne ging es in die Einfahrt zum Hafen Mahón. Dieser gehört zur Hauptstadt Menorcas und hat eine atemberaubend schöne Einfahrt. Zu Anfang eine alte militärische Bunkeranlage und danach eine etwa vier Kilometer lange, schmale Wasserstraße gesäumt mit Villen und netten mediterranen Häuschen, bis direkt ans Wasser gebaut oder oberhalb von steilen weißen Felsen und viele mit eigenem Bootssteg.
Nach dem erfolgreichen Anlagemanöver und Einklarieren gab es Landgang für alle, bis auf eine kleine Gangway-Wache. Das Mittagessen war schon lange her und alle hatten Hunger und freuten sich auf die vielen angekündigten Tapas-Bars. Übrigens beanspruchen die Bewohner Menorcas die Erfindung der Mahonnese/Mayonnaise für sich.
Wir zogen in mehreren Gruppen los und suchten nach einem netten Lokal, doch es vergingen einige Gehminuten und Speisekarten, bis wir ein schönes Plätzchen gefunden hatten, und wir uns setzten. In lockerer Runde, herausgelöst aus unseren Wachen, kamen neue Runden, viele Gespräche und lustige Momente zusammen. Das Essen war hervorragend und nach dem ein oder anderen Schluck Traubensaft ging es später zurück Richtung Schiff. Auf einem kleinen Platz in der noch gut gefüllten Fußgängerzone (die spanischen Sommerabende gehen lang) durfte natürlich der kleine tanzende Mann nicht fehlen.
Am darauf folgenden Tag durften wir eine Stunde länger schlafen, allgemeines Wecken um 08:30 Uhr, schnelles Frühstück und bereit machen zum Auslaufen um 10 Uhr. Dies bedeutete Müll von Bord bringen, Gangway einholen und verstauen. Unsere weitere Reiseroute verlief dann bei schönstem Wetter und leichter Brise nördlich entlang Menorcas Küste. Da es an den Segeln nicht viel zu setzen oder korrigieren gab, hatte der Bootsmann einige Aufgaben zu verteilen. Kampf dem Rost mit Hammer und Flex, quasi null Lärmbelästigung auf einem Stahlschiff, wobei es doch ein paar wenige unter Deck mit dem Schlafen geschafft haben sollen. Anschließend wurden dann alle vom Rost befreiten Stellen frisch gepönt.
Mitten am Nachmittag war dann noch eine Übung für die Stammcrew angesetzt. Abbergen aus dem Klüver. Wir gingen alle auf die Back und schauten dem Rettungsteam zu, wie sie in ca. 20 Minuten den Dummy aus dem Klüvernetz auf einer Trage und einer über den Vortopp konstruierten Seilvorrichtung herausgehoben und sicher an Deck brachten.
Die Segel standen gut, in der Wache gab es zu der Zeit nichts zu tun und so durften wir in kleinen Gruppen in den Vor- und Großtopp hoch, um von dort den Sonnenuntergang zu beobachten. Keine Wolken am Horizont, einfach eine geniale Aussicht, ein malerischer Moment. Den Abend ließen wir dann mit Gesang und Gitarre unter einem phänomenalen Sternenhimmel ausklingen.
Den 14.08. verbrachten wir mit Segeln. Gleich morgens mit einer Halse zusammen mit der 4-8-Wache gestartet, folgte ein Schön machen der gesetzten Segel, denn nun sollte die Fotosafari 2.0 stattfinden. Bei besten Bedingungen wurde das Beiboot ausgesetzt und auch die noch Verbliebenen kamen bestückt mit Kameras voll auf ihre Kosten. Um 12 Uhr war Wachwechsel, entspannen, 15 Uhr Sonntagskuchen, entspannen. Bestes Wetter, was ein schöner Sonntag. Doch dann kam der Generalalarm, Feuerübung mit einer vermissten Person. Alle mussten sich an Deck mit Rettungsweste versammeln. Wir konnten dann der Stammcrew beim Löscheinsatz zuschauen. Nach dem Beenden der Übung klärte Mike uns noch über das Vorgehen bei einem solchen Vorfall auf und der Doc nannte noch ein paar wichtige Dinge bezüglich Rauchvergiftung.
Am Abend folgte der Schwenk Richtung Süden in das Meer zwischen den beiden östlichen Balearen-Inseln. Den folgenden Vormittag ging es weiter Richtung Südspitze von Mallorca, leider seit frühem Morgen dann unter Maschine, da null Wind vorhanden war. Dafür hieß es gegen 09 Uhr „Delfin-Alarm“: Wir wurden von einer Delfinschule begleitet. Beinahe vier Stunden verfolgten uns die wechselnd vier bis acht verspielten Säugetiere in der Bugwelle. Im klaren Wasser konnte man genau beobachten, wie elegant und scheinbar mühelos die Tiere schwammen, sich um die eigene Achse drehten, sprangen und sichtlich Spaß an und mit der Alex II hatten. Über die lange Zeit hatte jeder einmal die Chance für unzählige Fotos und Wow-Momente. Einige kletterten sogar bis nach ganz vorne auf den Klüverbaum für eine bessere Perspektive. Da war der Ausguck auf dem Vorschiff einmal nicht so allein und beim halbstündlichen Glasen hielten sich besser alle die Ohren zu. Der Bootsmann ärgerte sich ein wenig, denn in der Zeit mit den Delfinen war kaum jemand zum Helfen bei den Arbeiten dabei, Delfine gucken war scheinbar interessanter.
Zum Glück frischte der Wind gegen Mittag wieder etwas auf, sodass wir alle Segel setzen und gemütlich Richtung unseres zweiten Ankerplatzes auf diesem Törn zusteuerten. In der Bucht am „Es Trenc“ fiel der Anker und nach einer Besprechung der Stammcrew fiel die Freigabe für das hellblaue Wasser mit einem Meter Welle, dies hieß riesen Badespaß für alle. Danach musste es aber schnell gehen, denn Captains Dinner war angesagt. Kurz duschen und die Abendgarderobe an. Wir trafen uns alle auf dem Achterdeck in einer großen Runde, Mike hielt eine seiner informativen, kurzweiligen und humorvollen Ansprachen, die verdienten Crew-Mitglieder wurden durch ein mehrfaches 7-3-1 geehrt (was dahintersteckt, verrate ich an dieser Stelle nicht, das muss man selbst erleben) und Rasmus wurde durch einen Schluck aus der Buddel für die Zukunft gnädig gestimmt. Anschließend ging es hinunter in die Messe, wo eine verdrehte Welt überraschte: Steuermänner, Toppsis und Bootsmann als Backschaft. 1a-Service und ein besonderer Dank und Respekt noch einmal an Küche für das einmalige Fünf-Gänge-Menü für ein volles Schiff und das in der kleinen Kombüse auf See, zusätzlich zum normalen Ablauf der Mahlzeiten. Des Weiteren auch für wieder Ermöglichen der Alternativen für vegetarisches und glutenfreies Essen, vielen Dank! Zwischen den Gängen gab es ein kleines Showprogramm sowohl von den Toppsis und Steuerleuten, als auch jeweils von den drei Wachen für ihre Toppsis. Auch hier wurden so einige tosende 7-3-1 gefeiert.
Nach dem Essen ging es hoch an Deck, wo nach und nach die Party größer wurde und ein langer Sommerabend mit Sternenhimmel voll genutzt wurde und jeder abgehen konnte, wie er mochte. Es gab ruhigere Gesprächsrunden bis hin zu Party à la Palma de Mallorca.
Der Morgen danach, allgemeines Wecken erst um 08:30 Uhr, oder schon? Bei manchen war das nicht so ganz klar, dennoch war „Reinschiff“ angesetzt und alle hielten sich ran, zügig und gründlich alles aufzuräumen, zu schrubben und zu putzen, sowie alle Segel zu packen und zu zeisern. Nach dem Mittagessen ging der Anker auf und wir liefen unter Maschine Kurs gen Porto Pi, Palma de Mallorca. Das Ganze leider mit ein wenig Wasserbegleitung von oben, aber schon bald schien wieder die Sonne.
An Nachmittag liefen wir in den Hafen von Palma ein, anlegen, Gangway aufbauen und ausbringen, alles klappte wie am Schnürchen. Es stand auch schon ein LKW mit neuem Proviant bereit, dieser wurde schnell mit einer Menschenkette an Bord gebracht und mit dem Kran unter Deck befördert. Der Müll musste mal wieder raus und Frischwasser rein.
Da der Crewchange erst am folgenden Tag stattfand, haben wir uns mit unserer Wache entschieden, gemeinsam mit allen, die mochten, ein Stück nach Palma mit dem Bus zu fahren, da der Hafen etwas außerhalb liegt und dort gemeinsam essen zu gehen. Ich fand, das war ein entspannter Abend und ein sehr gelungener Abschluss.
Am letzten Tag, den 17.08., blieb dann ab dem Frühstück noch das große auf Wiedersehen sagen, so spielten wir mit unserer Wache quasi 20 kleine Jägermeister, die nach und nach von uns gingen, da viele unterschiedliche Flüge hatten. Die Bremer inkl. mir waren mit die letzten, die von Bord gingen. Die Reise war super schön und beeindruckend. Ich habe viele nette, interessante und witzige Leute kennengelernt. Es war eine echt tolle Erfahrung, wir haben viel erlebt und gesehen, gerne sofort wieder!!
Ein großes Dankeschön geht an die S.T.A.G., die mich bei diesem Abenteuer auf See unterstützt hat.
Mein Fazit: Schön zu sehen, was man gemeinsam in einem Team alles erreichen kann!
Fest.
Steffen Koch, Trainee