Geschichte:
Grundlage der Rekonstruktion waren die gemeinsamen Forschungsarbeiten der Universität Kiel, des Bundesministeriums für Forschung und Technologie, des Instituts für Schiffbau der Universität Berlin und der Fachhochschule Kiel. Ziel war es eine dem Original soweit als möglich entsprechende Replik der 1962 im Schlick der Weser aufgetauchten Hansekogge aus dem Jahre 1380 zu bauen. Erstmals hatte man mit einem zu fast 70% erhaltenen Rumpf die Schiffbautechniken des Mittelalters direkt vor Augen. Da lag es nahe, mit diesem Nachbau die bisher völlig unbekannten See – und Segeleigenschaften einer mittelalterlichen Kogge zu erkunden. Zusätzlich versprachen sich die Historiker Hinweise auf die Wirtschaftsbeziehungen sowie die Sozialgeschichte der Hanse. Ohne die Kogge ist der Aufstieg der nordischen Hansestädte zur beherrschenden Wirtschaftsmacht des Mittelalters nicht denkbar. Wahrscheinlich entstand dieser Schiffstyp in der Gegend von Schleswig, wo sich skandinavische Schiffbautraditionen mit denen des friesischen Raumes trafen. Dort tauchte im frühen Mittelalter erstmals der Begriff „Cog“ auf, wahrscheinlich für ein flachgehendes Schiff des Wattenmeeres.
Das Ergebnis dieser „Vereinigung“ war ein neuartiges Handelsschiff, das nur noch gesegelt werden konnte. Die Kogge war zu groß um noch gerudert zu werden. Gesteuert wurde mit einer am Achterschiff befestigten Ruderpinne. Die Kogge schleppte bis zu 200t, war allerdings immer auf den passenden Wind angewiesen! Diese bisher nur aus ungenauen Dokumenten und groben Holzschnitten bekannten oder besser vermuteten Eigenschaften sollten nun mit der Hanse-Kogge untersucht werden.
Ergebnisse dieser Versuche findet man in der Veröffentlichung „Die Segeleigenschaften der Kieler Hansekogge“. Überraschenderweise konnten die Koggen bis zu 700 an den Wind gehen und mit Hilfe ihrer Bonnets sogar kreuzen. Bei 6 Bft lief die Kieler Kogge ca. 6kn, bei 3 Bft wurden immerhin noch 3,5kn erzielt. Damit waren die Koggen wesentlich schneller als Pferdefuhrwerke und wurden nicht durch Zollabgaben behindert – Fuhrwerke benötigten für die Strecke Lübeck-Danzig mit knapp 2 t Fracht mehr als 2 Wochen. Eine Kogge brachte 80t in vier Tagen nach Danzig.
Die Mannschaft hatte unterwegs viel zu leisten, die 14,6m lange und 300kg schwere Rah musste bis an die Spitze des 24m hohen Mastes gehievt werden. Erst dann konnte die Besatzung auf dem Achterkastell zusammen mit der Deckcrew an die Brassen bzw. Kontrabrassen gehen um die Rah zu brassen. Anschließend wurde das 100m2 – Großsegel sowie die drei Bonnets mit je 30m2 gesetzt, die Gordinge und Geitaue gefiert und getrimmt.
Erst nach dem ein großer Teil der Fragen geklärt waren und die Segelversuche unter wissenschaftlicher Begleitung abgeschlossen waren, erhielt das Schiff einen, die Segeleigenschaften nur wenig beeinflussenden Schottel – Pumpjet – Antrieb. Seitdem ist der urtümliche Segler auf vielen Hafenfesten und maritimen Veranstaltungen zu Gast. Trotzdem werden in unregelmäßigen Abständen weitere Versuchsfahrten unternommen.
Den größten Teil der Baukosten von 2,5 Mio D-Mark hatte das Kieler Arbeitsamt übernommen, weitere Unterstützung kam vom Schleswig-Holsteiner Sozialministerium sowie privaten Spendern. Schiffbaumeister Uwe Baykowski realisierte mit arbeitslosen Jugendlichen auf der bekannten Rathjen-Werft das Projekt. Offizieller Träger war der auf Initiative der Kieler Industrie – und Handelskammer gegründete Verein Jugend in Arbeit e.V. Für den Bau wurden alte Techniken wieder belebt, wie das Biegen der Planken über Feuer aus 18 holsteinischen Eichenstämmen und 6000 spezielle Koggennägel geschmiedet. Die Planken und Spanten wurden ganz traditionell mit Beilen zugehauen.
©H.H.Böhm 2016