Erfolgreiche Anerkennung des immateriellen Kulturerbes – Ein Meilenstein für die traditionelle Seeschifffahrt

„Es rauscht wie Freiheit. Es riecht wie Welt. Natur gewordene Planken sind Segelschiffe. Ihr Anblick erhellt und weitet unsre Gedanken.“ – Joachim Ringelnatz

Jörg Schinzer hält eine emotionale Rede zur Bedeutung der traditionellen Seefahrt

Bereits am 15. März 2023 kam die erlösende Nachricht: Das Sailtraining auf traditionellen Segelschiffen wird in das „Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes“ aufgenommen!

Die Kulturministerkonferenz der Länder hatte an diesem Tag in Abstimmung mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie der Empfehlung des unabhängigen Fachkomitees für immaterielles Kulturerbe der Deutschen UNESCO-Kommission über den Antrag der „Sail Training Association Germany“ (S.T.A.G.) positiv entschieden: Damit war der federführend von der S.T.A.G. erarbeitete Antrag erfolgreich.

Überreicht wurde die begehrte Urkunde allerdings erst 29. Juni. Alles, was in Deutschlands UNESCO-Szene Rang und Namen hat versammelte sich am frühen Nachmittag dieses Tages im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdams historischem Zentrum.

Die Deutsche UNESCO-Kommission würdigt mit der Aufnahme des „Sail-Trainings auf Traditionssegelschiffen“ als „gute Praxis-Beispiel“ in das „Bundesweite Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe“ die intensive Arbeit der Ehrenamtlichen auf den traditionellen Segelschiffen: „Das Sail Training auf Traditionsschiffen beschreibt das Üben und Weitergeben von traditioneller Seemannschaft, insbesondere des Könnens und Wissens bezüglich des Segelns, der Navigation, dem Schiffserhalt und dem Schiffsbetrieb mit jugendlichen Trainees. Das Fachkomitee unterstreicht, dass das Sailtraining Werte wie Kameradschaft, Toleranz und Verantwortungsbewusstsein beinhaltet und auch Themen des Umweltschutzes behandelt. So sind beispielsweise die Verunreinigung der Meere und die Vermeidung von Müll Bestandteile des Unterrichts der Crew. Hervorzuheben ist, dass das notwendige Wissen für das Leben auf See und fachliches Wissen über Traditionssegelschiffe vor allem von einer ehrenamtlichen Stammcrew weitervermittelt werden. Dabei sind zahlreiche Lehrgänge, Seminare, Hafenfeste und Schulprojekte Teil der Aktivitäten zur Weitergabe von Wissen und Können an die kommenden Generationen.“

Die Anerkennung als immaterielles Kulturerbe verdeutlichte die Wichtigkeit, dieses kulturelle Erbe zu bewahren und weiterzutragen. Der Erfolg des Antrags ist ein Grund zur Freude, doch auch eine Erinnerung daran, dass die Arbeit noch lange nicht getan ist. Alle in diesem Bereich Engagierten werden weiterhin mit aller Kraft dafür sorgen, dass das Handwerk der traditionellen Seeschifffahrt lebendig bleibt und seine Wellen auf den Meeren der Welt schlägt.

Diese Anerkennung, die auch Außenstehenden deutlich macht, welch intensive Arbeit geleistet wird um das Kulturgut „traditionelles Schiff“ und sein fachgerechtes Handling zu bewahren, hilft hoffentlich auch, die oft nicht nachvollziehbaren Entscheidungen staatlicher Stellen, in Zukunft positiv zu beeinflussen.

Die Idee, dass die traditionelle Seemannschaft auf historischen Schiffen samt Jugendarbeit eigentlich mehr offizielle Anerkennung finden müsse, hatte die erfolgreiche Berliner Architekturfotografin Mila Hacke. Ihr war aufgefallen, dass das Sail Training auf traditionellen Segelschiffen noch nicht im „Bundesweiten Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe“ aufgeführt war.

In Jörg Schinzer, dem Vorsitzenden der S.T.A.G., fand sie einen akribisch recherchierenden Partner, der diese Idee zu seiner Herzensangelegenheit machte.  Mit Mila Hackes und Andrea Günthers (Kunsthistorikerin) tatkräftiger Unterstützung sowie seinem S.T.A.G. – Team führte er das Projekt schließlich zum Erfolg. In einer eindrucksvollen Rede wies er darauf hin, wie wichtig nicht nur die in der Laudatio der Kommission genannten Aspekte des Sail Trainings sind: dazu gehört u.a. auch die internationale Verflechtung der nationalen Sailtraining Associations unter dem Dach der Sailtraining International (STI) in London – ähnlich den nationalen Olympischen Komitees. Sie alle eint u.a. der Gedanke, dass ohne das in den Besatzungen verankerte, nautisch-technische Wissen die historischen Schiffe weder erhalten noch in Fahrt bleiben können. Die heute noch in Europa existierenden Werften sind nur noch in seltenen Fällen in der Lage die erforderlichen Arbeiten historisch fachgerecht auszuführen. Diese einzigartige Kombination aus Handwerk, Brauchtum (z.B. Shanties, ritualisierte Wachwechsel an Bord) sowie die in vielen wissenschaftlichen Untersuchungen bewiesenen positiven Veränderungen des Menschen durch das Sail Training fasste er prägnant in einem kurzen Satz zusammen:

„Die Ausbildung durch die See!“

Damit ergänzte er treffend das Motto, das der Gründer der S.T.A.G., Manfred Hövener, vor fast 50 Jahren formulierte:

Die See ist unsere Brücke.

Unterstützt vom Dachverband der Traditionsschiffe in Deutschland, der GSHW (Gemeinsame Kommission für Historische Wasserfahrzeuge), EMH (European Maritime Heritage), der Deutschen Marine, TSFD (Tall-Ship Friends Deutschland) und der GSTU (German Sail Training Union) hatte die S.T.A.G. den Antrag eingereicht, der nun so positiv entschieden wurde. Folgt man dem Text des Anerkennungsschreibens und den Reden anlässlich der Übergabe der Urkunde, kommt man aus dem Wundern nicht heraus und fragt sich, wieso sich Politik und Sponsoren hier immer noch so reserviert verhalten. Damit, und das betont man in der S.T.A.G. immer wieder, gilt diese Auszeichnung bzw. Anerkennung allen, die an Bord der Schiffe und den Vereinen ehrenamtlich tätig sind!

Wie wichtig die Arbeit der S.T.A.G. für den Erhalt der Schiffe ist, zeigen die Zahlen, die anlässlich der Jahreshauptversammlung 2023 erstmalig veröffentlicht wurden. Seit der Gründung 1984 wurden die inzwischen 39 Mitgliedsschiffe mit ca. € 3,3 Mio. aus den Beiträgen der mehr als 3000 Mitglieder unterstützt, mit €18.000 wurden finanziell weniger „gut ausgestatteten“ Jugendlichen das Segeln ermöglicht!

Für alle Interessierten, die die ganze Rede von Jörg Schinzer lesen möchten, steht sie im angehängten PDF zur Verfügung

Urkundenvergabe